Landliebe

Wir sind im vorangeschrittenen Alter umgezogen. Aus der Stadt aufs Land. Ein Prozess mit spannenden und teils überraschenden Erkenntnissen. Um es gleich vorwegzuschreiben, ich bin in der Stadt geboren, dort auf die Schule gegangen und habe in der englischen Metropole und in Freiburg studiert. Ich liebe Stadt und liebe Großstadt. Auch ich fühlte oft, dieses etwas mitleidige Bedauern mit den „Ländlern“, die vieles, was die Stadt bietet, doch wohl entbehren müssen.  

Nun, da haben sich meine Einstellungen und Befindlichkeiten, insbesondere bezüglich der Versorgungslage, aber im Blitztempo verändert. Umgezogen sind wir in eines dieser herrlichen Täler rund um Freiburg. Im Elztal sind wir nach langem Suchen fündig geworden. Und wie!

Eine solche Dichte an ausgezeichneten Metzgereien habe ich noch nicht erlebt. Es werden badischen Spezialitäten und Innereien vorrätig gehalten, man schneidet den Wurstsalat noch selbst, die teils guten, bis schlicht exzellenten Kartoffelsalate werden tagtäglich selbst gemacht, die Fleischwurst ist nicht zu sehr, aber halt auch nicht zu wenig gewürzt, an vielen Tagen der Woche gibt es bei manchen gekochte Knöchle, das Rindfleisch ist immer bestens abgehangen, bevor es die Ladentheke schmückt – Metzger Ehre. Meine Favoriten sind – ohne Reihenfolge - Metzgerei Schuler, Metzgerei Riegger, Metzgerei Spath, Metzgerei Gustaf Winterhalter, Metzgerei Mehl, Obere Metzgerei Franz Winterhalter und die Landmetzgerei Dörrich. Alles Inhabergeführte Familienbetriebe, die sich ganz selbstverständlich höchsten Qualitätsstandards verpflichtet fühlen.      

Übrigens die besten Metzger Kartoffelsalate gibt es natürlich, seit Jahren, in der Metzgerei Feißt in Teningen, mein momentaner Kartoffelsalat-Favorit ist die Metzgerei Faller in Holzhausen. Fallers Kartoffelsalat ist schlicht perfekt, auch weil eine bekannte Würzsoße mit verwendet wird.    

Auch Bäckereien, natürlich inhabergeführt, die jeden Tag ihre Spezialitäten backen, die immer Blätterteigformen für Königinnen Pastetchen vorrätig haben, die stets selbst gemachtes Baiser, das badische Schäumle, anbieten, weil bei vielen Backwaren viel Eigelb benötigt wird und man dann mit dem vielen verbleibenden Eiweiß auch etwas höchst Schmackhaftes anstellen kann. Die vielen Brotsorten, nach teils sehr alten Originalrezepten der Familie gebacken, sind ein Genuss an sich. Hier sei die Bäckerei Burger und die Konditorei Lehmann in Kollnau empfohlen.

Und dann die Hofläden, teilweise auch sonntags geöffnet, wie Franz Xaver in Buchholz, die vielen Verkaufsstände an der Straße, ob Bio oder konventionelle Produkte. Es wird fast überall nachhaltig an- und ausgebaut. Frisches Obst, viele frische Beeren aller Couleur, frisches Gemüse und Salate, die knackig daherkommen und im Kühlschrank bei fachgerechter Lagerung eine Woche frisch bleiben. Das ist Landwirtschaft direkt auf den Tisch, das berühmte „Farm to Table“, aber nicht als gehypter Event im Sternelokal, sondern als praktizierter Alltag auf dem Land.

Man kennt sich im Tal, die kochenden Frauen und Männer haben einen hohen Standard in ihren privaten Küchen. Meist wird dort täglich gekocht. Die Menschen wissen noch, wie gute, einfache Hausmannskost schmecken soll und muss. Entsprechend anspruchsvoll wird eingekauft und großen Wert auf die Qualität der Grunderzeugnisse gelegt. Das wiederum wissen auch die Produzenten und strengen sich an.  

Und das alles, verehrte Leserschaft, meist zum halben Preis der Innenstädte. Dafür gibt es viele Gründe, viele sind nachvollziehbar, einige sind halt auch einfach nur Abzocke.

Und fast all diese Oasen der Frische, der Qualität, der unbedingten Regionalität und der saisonalen Verfügbarkeit sind ob zu Fuß, oder per Fahrrad oder halt mit dem Auto bestens erreichbar. Auch Verkaufswagen in den kleinen Supermärkten verlangen keinen Euro, um bewegt werden zu können, alle werden nach Benutzung brav zurückgebracht.

Über die immer noch auffindbaren, hervorragenden ländlichen Gasthäuser der Region, lasse ich mich ja an vielen anderen Stellen aus.

Gehe ich auf ein Amt, spreche ich mit einer Behörde oder einem Dienstleister vor Ort, waren alle bisher nett, freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend und auch schnell! Auch nicht so ganz alltäglich in der Stadt.

Und über die Lebensqualität so nah am schwarzen Wald, mit seinen saftigen Wiesen und prallen Feldern, also viel aktiver Landwirtschaft, haben wir noch gar nicht gesprochen. Nochmals, ich bin ein Bobbele durch und durch, und doch habe ich es keinen Tag bereut, nun außerhalb der Gemarkung der Stadt Freiburg zu wohnen. Dank der ausgezeichneten Verkehrsanbindung sind es gerade mal 15 Minuten in die Innenstadt. Das war von Zähringen aus auch nicht kürzer.   

Gemach, gemach – auch ich weiß, dass es in vielen ländlichen Gemeinden mit der Infrastruktur hapert, dass viele Einzelhändler ihre Geschäfte zu machen und das zahlreiche ländliche Gasthäuser sterben, weil es keine Nachfolger gibt oder die Kosten einfach zu hoch sind.

Aber, im Elztal geht das, trotz aller Discounter und Supermärkte. Hinzu kommt ein aktives Marktleben in fast allen Orten des Tals, mindestens einmal die Woche und sogar in Ortsteilen, wie Kollnau. Glücklich wer hier wohnt.

Ihr

Christian Hodeige

 
Christian Hodeige