Landliebe

Wir sind im relativ vorangeschrittenen Alter umgezogen. Aus der Stadt aufs Land. Ein Prozess mit spannenden und teils überraschenden Erkenntnissen. Um es gleich vorwegzuschreiben, ich bin in der Stadt geboren, dort auf die Schule gegangen und habe in der englischen Metropole und in Freiburg studiert. Ich liebe Stadt und liebe Großstadt. Auch ich fühlte oft, natürlich nur tief im Inneren, dieses etwas mitleidige Bedauern mit den Ländlern, die vieles, was die Stadt bietet, entbehren müssen. Ein doch öfters verbreitetes Symptom der Städter.

Nun, da haben sich meine Einstellungen und Befindlichkeiten aber im Blitztempo verändert. Umgezogen sind wir, weil wir uns verkleinern wollen, weil wir barrierefrei im Alter wohnen wollen und uns ein angenehmes Klima und gute Luft immer wichtiger wird. Am Fuße des Schwarzwalds, in einem dieser herrlichen Täler rund um Freiburg sind wir nach langem Suchen fündig geworden. Und wie!

Eine solche Dichte an ausgezeichneten Metzgereien, die natürlich alle badischen Spezialitäten und Innereien vorrätig haben, die ihren Wurstsalat noch selber schneiden, die teils guten bis schlicht exzellenten Kartoffelsalat tagtäglich selbst machen, die ihre Fleischwurst nicht zu sehr, aber halt auch nicht zu wenig würzen, die an vielen Tagen der Woche gekochte Knöchle servieren – fragen sie nach solchen in einer der wenigen Metzgereien in der Innenstadt, wissen die Verkäufer:innen meist nicht, wovon die Rede ist – und deren Rindfleisch aus Metzger-Ehre immer bestens abgehangen wird, bevor es die Ladentheke schmückt, ist jeden Tag eine Freude. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.    

Bäckereien, natürlich Inhabergeführt, die jeden Tag ihre Spezialitäten backen, die immer Blätterteigformen für Königinnen Pastetchen vorrätig haben, die stets selbst gemachtes Baiser, das badische Schäumle,  anbieten, weil bei vielen Backwaren viel Eigelb benötigt wird und man dann mit dem vielen verbleibenden Eiweiß auch etwas höchst schmackhaftes anstellen kann. Die vielen Brotsorten, nach teils sehr alten Originalrezepten der Familie, sind ein Genuss an sich.

Und dann die Hofläden, teilweise auch Sonntags geöffnet, die vielen Verkaufsstände an der Straße, ob Bio oder konventionelle Produkte. Es wird fast überall nachhaltig an- und ausgebaut. Frisches Obst, viele frische Beeren aller Couleur, frisches Gemüse und Salate, die knackig daherkommen und im Kühlschrank bei fachgerechter Lagerung eine Woche frisch bleiben. Das ist Landwirtschaft direkt auf den Tisch, das berühmte „Farm to Table“, aber nicht als gehypter Event im Sternelokal, sondern als praktizierter Alltag auf dem Land.

Man kennt sich, die kochenden Frauen und Männer haben einen hohen Standard in ihren privaten Küchen. Meist wird dort täglich gekocht. Die Menschen wissen noch, wie gute, einfache Hausmannskost schmecken soll und muss. Entsprechend anspruchsvoll wird eingekauft und großen Wert auf die Qualität der Grunderzeugnisse gelegt. Das wiederum wissen auch die Produzenten und strengen sich an.  

Und das alles, verehrte Leserschaft, meist zum halben Preis der Innenstädte. Dafür gibt es viele Gründe, viele sind nachvollziehbar, einige sind halt auch einfach nur Abzocke.

Und fast all diese herrlichen Oasen der Frische, der Qualität, der unbedingten Regionalität und der saisonalen Verfügbarkeit sind ob zu Fuß, oder per Fahrrad oder halt mit dem Auto bestens erreichbar. Auch Verkaufswagen in den kleinen Supermärkten verlangen keinen Euro, um bewegt werden zu können, alle werden nach Benutzung auch so brav zurückgebracht.

Über die immer noch auffindbaren, hervorragenden ländlichen Gasthäuser der Region, lasse ich mich ja an vielen anderen Stellen aus.

Gehe ich auf ein Amt, spreche ich mit einer Behörde oder einem Dienstleister vor Ort, waren alle bisher nett, freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend und auch schnell! Auch nicht so ganz alltäglich in der Stadt.

Und über die Lebensqualität so nah am schwarzen Wald, mit seinen saftigen Wiesen und prallen Feldern, also viel aktiver Landwirtschaft, haben wir noch gar nicht gesprochen. Nochmals, ich bin ein Bobbele durch und durch, und doch habe ich es keinen Tag bereut, nun außerhalb der Gemarkung der Stadt Freiburg zu wohnen. Dank der ausgezeichneten Verkehrsanbindung sind es gerade mal 15 Minuten in die Innenstadt. Das war von Zähringen aus auch nicht kürzer.          

 
Christian Hodeige